Politik & Gesellschaft

Viel Aufregung um nichts?!

Kommentar von Sophia Nebel 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat ein klares Machtwort gesprochen. „Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen“, zitierte den Vorsitzenden der CSU die Neue Zürcher Zeitung. Deutschlandweit scheint die Zustimmung für die Vorhaben in Bayern groß zu sein. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey befürworten 74 Prozent aller Deutschen ein Genderverbot an Schulen und Behörden. Lediglich 20 Prozent lehnen dies dagegen ab. Seit den 70er-Jahren dauern die Diskussionen um das Gendern nun schon an. Dennoch gelang dem Gendern nie der Durchbruch. In den vergangenen Jahren hat es sogar vermehrt an Zustimmung verloren und das aus guten Gründen. 

Dass Stimmen für das Gendern überhaupt laut wurden, ist auf ein sprachpolitisches Problem zurückzuführen. Ein Teil der Bevölkerung fühlt sich nämlich in der deutschen Sprache unterrepräsentiert: Sie sei zu männlich gepolt, zumal im Deutschen die allgemeine Form der maskulinen entspricht. Durch das Gendern sollte die Sprache geschlechtergerecht gestaltet und somit das Problem gelöst werden. Tatsächlich aber wird das Gendern als vermeintliche Lösung dieses Problems immer umstrittener. Laut der Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung handelt es sich dabei jedoch um mehr als einfach nur „etwas Widerstand“. Den Großteil der Bevölkerung stoßen diese neuen Varianten im Deutschen sogar ab und führen auf diese Weise zu einer Polarisierung der Gesellschaft. Viele sehen im Gendern nämlich eine Einschränkung ihrer sprachlichen Freiheit; ihnen würde sozusagen ein sprachliches Korsett auferlegt, weshalb sie sich nicht mehr ungehindert ausdrücken könnten. Bei den Menschen ruft das vor allem Reaktanz hervor, sodass sie gegenüber dem Gendern eine unwiderruflich ablehnende Haltung einnehmen. Markus Söder hat daher nicht Unrecht, wenn er, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, behauptet, „dass das Gendern unsere Gesellschaft eher spaltet als alles andere“. Vor derselben gesellschaftlichen Spaltung sieht sich auch Frankreichs Regierung und möchte nun kurzerhand ein allgemeines Genderverbot per Gesetz erlassen. Während sich die Regierung in Frankreich und die Regierungen der Bundesländer Bayern, Sachsen und Sachsenanhalt unmissverständlich zum Gendern positioniert haben, hat die Bundesregierung Deutschlands bisher allerdings noch keine Stellung zum Thema Gendern bezogen. An bayerischen Schulen und in der Verwaltung könnte jedenfalls ein Verbot durchgesetzt werden. Schließlich obliegt hier die Entscheidung immer noch der Landes- und nicht der Bundesregierung. 

Nur hat bisher noch keine Regierung ein Gesetz für oder gegen das Gendern letzten Endes auch erlassen, sondern alleinig den Vorschlag unterbreitet und so halten die Debatten an. Zwar wurde die deutsche Sprache bereits mehrfach durch Rechtschreibreformen verändert und jedes Mal war die Empörung zunächst groß, jedoch konnte sich die Gesellschaft mit den vorgenommenen Neuerungen arrangieren, mit denen des Genderns hingegen nicht. Während es bei den Rechtschreibreformen lediglich Änderungen hinsichtlich der Orthografie gab, wird das Deutsche durch das Gendern von Grund auf verändert; was eben auch einen Verlust der Ästhetik der deutschen Sprache bedeutet. Denn das Deutsche zeichnet sich unter anderem durch seine Ausdruckstärke, Prägnanz und Präzision aus. Mit dem Gendern gehen diese markanten Merkmale allerdings verloren, unabhängig davon, welche Gendervariante gewählt wird. Durch die Nennung beider Geschlechter werden die Sätze nämlich viel zu lang, sodass der Fokus nicht mehr auf dem Inhalt liegt, wie sich an folgendem Beispielsatz gut veranschaulichen lässt: Quantenphysiker und Quantenphysikerinnen erklären Schülern und Schülerinnen sowie deren Lehrern und Lehrerinnen ihre Arbeit. Was ist nun die Kernaussage des Satzes? Zudem werden bei dieser Form des Genderns Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, wieder ausgeschlossen. Deshalb kann als Alternative hierzu eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt werden, nur gibt es die längst nicht für alle Bezeichnungen, wie für Quantenphysiker. Auch die Verwendung von Sonderzeichen sorgt für Komplikationen, zumal diese zum einen beim Schreiben konsequent gesetzt und eingehalten werden müssen. Zum anderen irritieren sie beim Lesen und sorgen beim Sprechen und Zuhören für unnötige Verwirrung, da an ihrer Stelle entweder eine unnatürliche Pause eintritt oder aber sie in Gänze übergangen werden. Sätzen verleiht das in manchen Fällen sogar einen ganz anderen Sinn. Vor diesem Hintergrund sprach sich auch der Rat für deutsche Rechtschreibung im Juli erneut gegen das Gendern mit Sonderzeichen aus. „Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie.“ „Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind“, heißt es im entsprechenden Passus des amtlichen Regelwerks. Nun beeinträchtigen die genannten Formen des Genderns die Sprache bereits erheblich. Gänzlich unverständlich wird ein Satz allerdings dann, wenn in ihm die sogenannten Neopronomen auftreten. Bei diesen handelt es sich um Pronomen, die für die Bezeichnung non-binärer Personen neu geschaffen und ins Deutsche eingegliedert wurden, jedoch nach amtlichem Regelwerk bislang ungültig sind. Ein Satz mit solchen Neopronomen könnte dann zum Beispiel lauten: Xier mag hen hensetwegen, nur unseran Freundis nicht. Geschlechterneutral mag das ja sein, aber Deutsch ist es mit Sicherheit nicht mehr. Die Schriftstellerin Anna Pirzkau spricht daher mit Recht metaphorisch von einem „Zersägen“ der deutschen Sprache. Auch Roland Kaehlbrandt gelangt zu diesem Schluss. „Schwer zu schreiben, schwer zu lesen, kaum zu sprechen – und schwer zu unterrichten und zu lehren“, beschreibt er das Gendern in seinem Buch „Deutsch – eine Liebeserklärung“. 

Damit spricht Kaehlbrandt zugleich ein weiteres, wesentliches Problem des Genderns an. Es erschwert die Sprache erheblich, sodass Menschen sogar vom Gebrauch der deutschen Sprache ausgeschlossen werden. Für viele Muttersprachler, die weder Schwierigkeiten mit dem Lesen noch mit dem Schreiben haben, gestaltet sich die deutsche Rechtschreibung und Grammatik mit all ihren Konstruktionen, Regeln und Ausnahmen schon als komplex, teilweise als zu komplex. Sprachschüler bezeichnen die deutsche Sprache auch als mitunter eine der am schwersten zu lernenden Sprachen. Wie die bereits angeführten Beispiele eines gegenderten Deutsch aber zeigen, werden durch das Gendern die Sätze zusätzlich komplizierter, schwerer zu schreiben und zu verstehen, wenn nicht völlig unverständlich. Jemand, der irgendwelche Beeinträchtigungen hinlänglich des Sprachverständnisses und -gebrauchs aufweist, wie beispielsweise Legastheniker oder jemand, der Deutsch gerade erst lernt, wird ein gegendertes Deutsch kaum noch erlernen können, geschweige denn dessen mächtig werden. Das beanstandete auch die Vorsitzende des deutschen Philologenverbands Susanne Lin-Klitzing im Interview mit ZDF insbesondere an der Verwendung der Sonderzeichen: „Die Lesbarkeit, Verständlichkeit, die Lehr- und Lernbarkeit der deutschen Standardsprache in allen deutschen Schulen im In- und Ausland ebenso wie die grammatische Richtigkeit sind durch die Einführung solcher Sonderzeichen nicht erfüllt.“ Deshalb lautet auch eines der Argumente des Rats für deutsche Rechtschreibung gegen das Gendern, dass „Rücksicht“ „auf Menschen mit geringer Literalität“ zu nehmen sei. Dem eigentlichen Ziel des Genderns, die deutsche Sprache gerechter und inklusiver zu gestalten, wirkt das jedenfalls entgegen. 

Betrachtet man die deutsche Sprache jedoch genauer, zeigt sich, dass dieses Ziel eigentlich hinfällig ist und das Gendern gar nicht die Lösung eines Problems darstellt, sondern vielmehr aus einem Missverständnis resultiert. Bei der allgemeinen Form handelt es sich nämlich um das generische Maskulinum, das sich ausschließlich auf das grammatikalische Geschlecht bezieht. Bei dem generischen Maskulinum wird also keinerlei Bezug zu dem biologischen Geschlecht hergestellt, sodass diese Form im Grunde genommen die neutralste aller Formulierungen ist, selbst geschlechterneutraler als jegliche Form des Genderns. In einer Studie zu Personenbezeichnungen und Charakterisierungen im Althochdeutschen wiesen genau das die Sprachforscher Helmut Weiß und Ewa Trutkowski der Universität Frankfurt am Main nach. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kann man den Wissenschaftlern zufolge bei eingehender Betrachtung des Deutschen zwar feststellen, dass „eine Beziehung zwischen dem grammatischen und dem biologischen Geschlecht“ besteht, „allerdings nur in eine Richtung: Sexus kann sich im Genus bemerkbar machen, der Umkehrschluss ist jedoch nicht zulässig.“ Vom grammatischen Geschlecht könne man nicht auf das biologische schließen. So bezeichnet beispielsweise der Begriff „die Studenten“ schlichtweg eine Gruppe von Menschen, die sich im Studium befinden, ohne dabei zunächst irgendeine Aussage bezüglich deren Geschlechts zu treffen. Viele missverstehen das nur, zumal ihnen die Bedeutung des generischen Maskulinums nicht geläufig ist und assoziieren dadurch mit „den Studenten“ ausnahmslos Männer. Deshalb ist die deutsche Sprache aber noch lange nicht ungerecht. 

Dennoch ändert das nichts an der Tatsache, dass sich ein Teil der Gesellschaft sprachlich unterrepräsentiert und ungerecht behandelt fühlt. Dafür bedarf es jedoch keiner Reform der deutschen Sprache sondern eines gesellschaftlichen Wandels. Die Bevölkerung muss weitreichend über das generische Maskulinum aufgeklärt werden und ein tieferes Verständnis für das Deutsche entwickeln, sodass das generische Maskulinum nicht mehr automatisch mit dem biologischen Geschlecht gleichgesetzt wird. Einen Ansatz dafür bietet der Deutschunterricht. Schüler sollten dort über die Bedeutung des generischen Maskulinums hinlänglich unterwiesen werden und lernen zwischen diesem und dem biologischen Geschlecht zu differenzieren; damit dieses Missverständnis ein für alle Mal geklärt wird. 

-Beitragsbild wurde in München geschossen

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