von Miriam Heindl
An was denkst du, wenn du „lernen“ hörst? Was ist die erste Assoziation, die du mit Lernen verbindest, das erste Bild, das dir in den Sinn kommt?
Denkst du an Gespräche mit Menschen, Reisen an unbekannte Orte, die Suche nach Frage und Antwort? Vielleicht auch an das Erlernen eines Instruments, einen Besuch im Museum oder ans Lesen? Oder doch an ein Schulbuch, den voll beladenen Schreibtisch und den Verlust von Freizeit?
Wenn man uns Jugendliche fragt, hört man letztere Antwort vermutlich am häufigsten.
lernen
/lérnen/
schwaches Verb
1a) sich Wissen, Kenntnisse aneignen
1b) sich, seinem Gedächtnis einprägen
Das ist die allgemeine Definition, des Wortes „lernen“, wie sie im Wörterbuch steht. Ohne weiter darüber nachzudenken, könnten wir es bei dieser Beschreibung belassen und glücklich – oder auch weniger glücklich – unseren Eltern weiterhin die Ausrede auftischen „Nein, ich kann nicht helfen, den Tisch abzuräumen, ich muss lernen!“, um uns dann doch erst am Vorabend der Klausur an unseren Schreibtisch zu setzen und den Stoff durchzupauken. Das mag für eine passable Note in der Klausur reichen, ja, aber weiterbringen wird es uns langfristig nicht. Das Gelernte wird wieder vergessen, bis es scheint, als hätte man es nie gelernt.
Und worin lag dann der Sinn des Ganzen?
An dieser Stelle kann es interessant sein, sich mit dem Lernen allgemein zu beschäftigen.
Wir wollen uns zuerst einmal ansehen, was man genauer unter Lernen versteht und wofür wir es eigentlich brauchen, bevor wir uns kurz dem doch etwas abstrakten Prozess des Lernens zuwenden.
Zunächst einmal, ist es wichtig zu verstehen, dass wir alle lernen.
Jeden Tag, jede Sekunde. Auch du. Auch deine Katze, wenn du eine hast. Und das auch genau jetzt. Unser Gehirn ist schließlich niemals im Ruhezustand, sondern arbeitet dauerhaft – und das muss es auch. Wir lernen also auch dann, wenn wir es gerade nicht aktiv wollen. In unserer sich durchgängig verändernden Welt ist es wichtig, dass wir das, was um uns herum passiert, aufnehmen, um das Geschehen reflektieren zu können.
Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Lernen ist wie Schwimmen gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück.“
Demnach kann man Lernen also als „mit der Zeit gehen“ bezeichnen, es ist Basis für jede Entwicklung und eine bestmögliche Anpassung an unsere Umgebung.
Um wirklich zu verstehen, was Lernen ist, ist es nötig, sich dem Begriff aus neurowissenschaftlicher Perspektive zu nähern.
Unser Gehirn besteht aus – wenn wir über die unappetitlichen, äußeren Strukturen hinaus gehen – unheimlich vielen Nervenzellen (den Neuronen), die in ihrer Gesamtheit ein überaus komplexes neuronales Netzwerk bilden. Jedes Neuron ist mit kurzen, verzweigten Fortsätzen versehen (den Dendriten), die es ihm erlauben, Signale von anderen Nervenzellen zu empfangen und über das sogenannte Axon wiederum an andere weiterzugeben. Diese Verbindungsstellen, oder besser gesagt chemische Kontaktstellen, sind die Synapsen.
Durch Reize, welche wir über unsere Sinnesorgane und die Sinneszellen aufnehmen, entstehen in diesem Netzwerk ständig Muster und die Nervenzellen werden in einer gewissen Art und Weise aktiviert – je nach Reiz eben. Wenn du das erste Mal einen Hund siehst zum Beispiel. Die Nervenzellen werden speziell aktiviert und je häufigerer du später nochmals Hunde siehst, desto schneller und besser verläuft dieser Prozess der Aktivierung, weil sich die Verbindungen zwischen den Nervenzellen gewissermaßen verstärken. Irgendwann reichen dann sogar unvollständige Reize, wie in dem Beispiel nur Teile des Bildes und die jeweiligen Nervenzellen werden aktiviert.
Genau dieser Vorgang der Veränderung, Neuverknüpfung und Verstärkung lässt sich vereinfacht ausgedrückt unter „Lernen“ verstehen.
Und dann gibt es da natürlich noch das Vergessen, das dann eintritt, wenn eine Verknüpfung vernachlässigt wird, sich zurückbildet oder ganze Nervenzellen absterben, weil sie nicht mehr häufig genug aktiviert wurden.
Dieses Vergessen wird natürlich dann nervig, wenn einem in der Ausfrage, die gefragte Vokabel nicht mehr einfällt, oder das Zitat von Immanuel Kant, dass man doch extra auswendig gelernt hatte, sich still und heimlich aus dem Gedächtnis geschlichen zu haben scheint (wobei hier sicherlich auch richtiges Lernen hilft, damit es die Information überhaupt erst mal ins Gedächtnis schafft, aber später mehr dazu). Jedoch stellt es auch ein wichtiges Element dar, um die vielen Informationen, mit denen wir täglich konfrontiert sind, nach Relevanz zu filtern.
Schließlich muss ich mir nicht zwangsläufig die Farbe des Autos merken, an dem ich heute Früh vorbeigelaufen bin oder all die Gesichter der Menschen, die ich letzte Woche auf meinem Heimweg gesehen habe. Das Vergessen sorgt also dafür, dass wir nicht den allgemeinen Überblick verlieren und uns zu sehr auf einzelne Details konzentrieren.
Schließlich wird das Vergessen nicht grundlos, die Geheimwaffe unseres Gehirns genannt. Wenn es nicht existieren würde, würde unser ganzer Denkprozess zudem durch die schlichte Überforderung mit zu vielen Informationen sehr viel langsamer ablaufen.
Okay, nach diesem kleinen Exkurs in unser Gehirn, stellt sich aber die Frage, wie lässt sich die Abspeicherung von Informationen beeinflussen? Was ist nachhaltiges Lernen und wie erreicht man überhaupt Lernerfolge?
Als ich für diesen Artikel recherchiert habe, kam meine Schwester in mein Zimmer, blickte mir über die Schulter und fragte, was ich denn da machen würde. Meine Antwort: „Ich schreibe einen Beitrag für unsern Blog.“ Auf die Frage worüber und ein „Übers Lernen“ meinerseits reagierte sie mit einem überraschten, ja sogar leicht angeekelten Ausdruck.
Und genau hier liegt das Problem. Die bei Schülern häufig negative Konnotation mit dem Lernen ist ein großer Nachteil, wenn man sinnvolle Lernerfolge erzielen möchte. Interessant wird es deshalb, wenn man sich die häufigst genannten Gründe von Schülern für das Lernen anhört.
Eine Studie der Ifd-Allensbach über die Lernmotive von Schülern besagt, dass ganze 75 Prozent und somit ein wirklich beachtlicher Teil der Schüler, der guten Noten willen und damit für bessere Berufschancen lernt. Man möchte sich gewissermaßen, alle Möglichkeiten offenhalten. Jedoch lernen lediglich 30 %, weil es ihnen Spaß macht, während jeweils über die Hälfte der Befragten angaben, auch aus Zwang zu lernen und um ihre Eltern glücklich zu machen.
Dabei ist bewiesen, das mit Freude zu lernen und aus eigener Motivation heraus, eindeutig gewinnbringender ist, als das Lernen im sogenannten Angstmodus.
Heutzutage werden einem die unterschiedlichsten Lernmethoden ans Herz gelegt, um sich Informationen nachhaltig einzuprägen – und das ist immerhin das große Ziel: Lernstoff so lernen, dass er möglichst langfristig abrufbar bleibt.
Grundsätzlich gilt dabei, so viele Kanäle des Gehirns zu nutzen, wie möglich, bedeutet sich den Lernstoff nicht nur schlicht einzuprägen, durch zum Beispiel wiederholtes Durchlesen, sondern darüber hinaus, auch visuell oder auditiv zu speichern. Zudem ist es vorteilhaft, neue Informationen unter Bezugnahme von bereits vorhandenen Vorwissen zu lernen.
Hier mal die dafür interessantesten Lernmethoden:
1. Wiederholen, wiederholen, wiederholen
Und damit ist keineswegs, das Auswendiglernen gemeint. Es geht vielmehr darum, Informationen, am besten regelmäßig und immer mal wieder, durchzugehen und zu wiederholen.
Die Regel ist hierbei ist, lieber kürzer und dafür öfter (Stichwort Synapsenverstärkung).
2. Zusammenfassungen schreiben
Der Vorteil an einer (selbst geschriebenen) Zusammenfassung ist nicht nur, dass man das Wichtigste auf einen Schlag beisammen hat und es sich somit schneller erneut durchgehen lässt, sondern auch der Weg dahin.
Der Weg ist das Ziel, wie es so schön heißt: Um überhaupt bis zu der Zusammenfassung zu kommen, muss man alle bestehenden Informationen weitestgehend verstanden haben, damit man entscheiden kann, welche überhaupt wichtig und ausschlaggebend genug sind, um es dann (am besten neu formuliert) in die Zusammenfassung zu schaffen. Somit geht man bereits über den reinen Prozess einer Abspeicherung im Gehirn hinaus – die Informationen werden bereits verarbeitet.
3. Mindmaps und Schaubilder 🙂
„Dreht eure Blöcke so, dass sie quer liegen, dann habt ihr mehr Platz…“ habt ihr diesen Satz schon öfter gehört? Ach ja. Die guten, alten Mindmaps.
Schaubilder im Allgemeinen haben den großen Vorteil, dass sie visuell in unserem Gehirn gespeichert werden und somit mehrere Kanäle ansprechen, sprich sie sind viel tiefer verankert. Und im Gegensatz zu Zusammenfassungen können sie auch Zusammenhänge ganz wunderbar veranschaulichen und durch die zusätzlich visuelle Abspeicherung im Gehirn, sind sie wesentlich länger präsent als die schlichte Information.
4. Sachverhalte anderen erklären oder sich selbst testen
Was ich persönlich ganz gerne mache, ist in meinem Zimmer auf und ab zu gehen und, gerne auch mit großen Gesten, mir selbst, wahlweise auch meinen Zimmerpflanzen oder meiner Schwester, wenn sie denn da ist, den Lernstoff zu erklären. Wenn einem Sachen nicht einfallen, man sie nicht weiß, wird eben nochmals nachgeschaut. Gewissermaßen ist das ähnlich, als würde man einen Vortrag halten, nur ist das Publikum etwas kleiner. Diese Methode ist tatsächlich eine der Effektivsten, wenn es um nachhaltiges Lernen geht. Was passiert dabei?
Nun der Stoff muss vorher natürlich schon in einer Form im Kopf sein, sei es durch die vorher beschrieben Methoden oder schlichtes Wiederholen (Achtung, wiederholen nicht auswendig lernen). Und dann wird er für jeden Durchgang neu aktiviert, Unsicherheiten werden ausgemacht und können dann beseitigt werden. In diesem Fall gilt sogar, je mehr Fehler desto besser, denn durch Fehler, die dann behoben werden, lernt man bekanntlich am besten.
Und abschließend: Lernen ist gut, doch Verstehen ist besser! – Verstehen, als die beste Lernmethode
Wobei das Verstehen nicht wirklich eine Lernmethode ist. Vielmehr ist Verstehen ein Prozess, der zwar ohne Lernen nicht funktioniert, aber weit darüber hinaus geht.
Das Verstehen ist tatsächlich eines der Dinge, die uns Menschen von anderen Tieren unterscheiden. Schließlich lernt auch deine Katze und der Nachbarshund. Heutzutage lernen sogar Computersysteme und künstliche Intelligenzen – und das in so unvorstellbaren Dimensionen, die wir Menschen nie auch nur ansatzweiße erreichen werden.
Und doch bleiben sie alle innerhalb des Lernens, und dringen niemals in den Bereich des Verstehens vor. Ist es nicht schön zu wissen, dass uns in dieser Hinsicht niemand abhängen kann?
Ohne das Verstehen, ist das ganze gelernte Wissen nicht universell und in verschiedenen Situationen anwendbar, kritisches Denken und Hinterfragen wäre nicht möglich und die meisten weltverändernden Theorien wären nie entstanden.
Verstehen ist besser als Lernen.
Du könntet dir diesen Satz nun abschließend merken, ihn (auswendig) lernen und weißt ihn vielleicht morgen noch. Mit viel Glück auch noch nächste Woche oder in zwei Wochen, aber nach ein paar Monaten geschweige denn einem Jahr, könnte sich das durchaus als schwierig erweisen.
Wenn du jedoch verstehst, warum Verstehen besser ist, als lernen, und warum auswendig lernen nicht immer so hilfreich ist, kannst du dieses Wissen nicht nur zukünftig erfolgreicher abrufen, sondern darüber hinaus noch sehr viel mehr damit machen.
Meine Quellen:
Beck, Henning , „Das Neue Lernen heißt Verstehen
https://www.geo.de/magazine/geo-magazin/13366-rtkl-wie-das-wissen-den-kopf-kommt
Außerdem: Ich bin natürlich keine Neurowissenschaftlerin, weder habe ich das Thema studiert oder jede neue Studie dazu gelesen. Also wird der Prozess des Lernens oben nur kurz angerissen. Wenn ihr euch für die speziellen Vorgänge im Gehirn interessiert, kann ich euch nur ermutigen, selbst noch weiter nachzuforschen.
Kleiner Tipp: Lest euch im Zusammenhang mit dem Lernen gerne den Artikel über das Setzen von Zielen oder die Wichtigkeit von Schlaf in der Kategorie Mental Health durch ; )