Reportagen

Das Warten hat ein Ende

Reportage von Sophia Nebel

In Norwegen im Dezember 2022 nahm alles seinen Anfang, als Martina Läubli und Linus Schöpfer mit dem vielfach ausgezeichneten Schriftsteller Jon Fosse erstmals ein Interview führten.
Doch sollte es nicht bei dieser einen Unterredung bleiben. Denn, nachdem der norwegische Schriftsteller im darauffolgenden Jahr zum Literaturnobelpreisträger ernannt wurde, folgten weitere Gespräche in Fosses Zweitheimat Österreich. Und gut eineinhalb Jahre später zeigt sich nun das Resultat einzelner Unterhaltungen in Form eines ganzen Buches, das ab 23. Mai dann beim Kampa Verlag auch endlich erhältlich ist. In „Mystik und Whisky“ erzählt Jon Fosse von seiner schriftstellerischen Tätigkeit, seinem Glauben und seinem Leben. Dabei verrät der Titel allerdings bereits mehr, als es vielleicht zunächst scheint, zumal wohl kaum etwas das Leben und Schaffen des heute 64-Jährigen so sehr prägten, wie eben die Mystik und der Whisky.

Mystisch war das Leben Jon Fosses nämlich von Beginn an. Zwar wurde er am 29. September 1959 in der Stadt Haugesund geboren, doch wuchs er mit seinen zwei Schwestern auf einem im 16. Jahrhundert in den Familienbesitz gelangten Bauernhof in der Gemeinde Strandebarm am Hardangerfjord an der Westküste Norwegens auf. Dort herrsche im Winter vollkommene Dunkelheit, wie Fosse in einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung gegenüber erzählte. Zudem habe es in seiner Kindheit in diesem kleinen Ort keine Straßenbeleuchtung gegeben, sodass einzig die Lichter der wenigen Häuser die Düsternis und der stetige Wellengang die Stille der Abgeschiedenheit durchbrochen hätten. Besonders diese frühen Eindrücke bilden dabei zweifelsohne das Fundament seiner Werke. Denn in ihnen führt Fosse den Leser in solche norwegische Landschaften und Szenerien, die ihm den Anschein nach erst die Inspiration für sein späteres Schaffen gegeben haben. Auch wenn sie ihn in Jugendjahren zunächst zum Gitarren- und Geigenspiel sowie der Komposition eigener Pop- und Rocktexte inspiriert haben.
Über die Musik gelangte Fosse dann jedoch zur Sprache und zur Literatur: So übte er noch zu Schulzeiten, erstmals kleine Gedichte und Erzählungen zu schreiben und schien sich in gewisser Weise darin verloren zu haben. Schließlich studierte er sogar Literaturwissenschaften, Soziologie und Psychologie an der Akademie für Schreibkunst in Bergen und war parallel überdies als Redakteur bei der mittlerweile eingestellten Zeitung Gula Tidend tätig. Den vier Jahre später anschließenden Zivildienst habe er ebenfalls als Redakteur verrichtet, wie die Neue Züricher Zeitung berichtet, allerdings bereits als Schriftleiter der Zeitschrift Militærnekteren. Doch sollte er insgesamt länger an der Akademie für Schreibkunst bleiben als seine Studienkollegen. Denn der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge zog es Fosse nach der Vollendung des Zivildienstes und seines Debütromans „Raudt, svart“ im Jahr 1983 wieder an diese zurück. Dort nahm er eine Stelle als Dozent an und unterrichtete gegen Ende der Achtzigerjahre unter anderem Karl Ove Knausgård, einen nicht minder bekannten norwegischen Schriftsteller unter den Gegenwartsautoren. Dem inzwischen 55-Jährigen sei, wie er in der Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert wird, der damals noch um einiges jüngere und unerfahrenere Fosse trotz all der Zeit, zwar als „ein äußerst nervöser und ruheloser, aber doch selbstsicherer Charakter“ gut in Erinnerung geblieben. Diese Eindrücke scheint die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sogar heute noch als rast- und punktlos bezeichnete „Reflexionsprosa“ Fosses jedenfalls nur zu bestätigen. Fosse selbst nannte nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dafür lediglich einen ihm unerklärlichen inneren „Schmerz“ als Ursache, dessen „Dunkelheit“ er mittels des Schreibens „vertreiben“ könne. Deshalb wandte er sich schon in den Neunzigerjahren wieder von dem Beruf des Lehrers ab, nahm seine Tätigkeit als Schriftsteller erneut auf und veröffentlichte bereits 1995/96 mit „Melancholia I und II“ einen zweibändigen Schlüsselroman, ehe er eine Karriere als Dramatiker begann.
Fosses ältesten wie jüngsten Dramen haftet dabei, wie eigentlich all seinen Werken, oft etwas Melancholisches, Düsteres und Mystisches an. Nur zeichnen sich insbesondere seine Theaterstücke durch weitreichende Reduktion etwa in Form von beispielsweise Leerstellen im Text oder Aposiopesen, wenn eine Regieanweisung beispielsweise „Bricht ab“ lautet sowie düstere Konstellationen und eine ereignislose Leere aus, die den Leser beziehungsweise den Zuschauer an den winterlichen Hardangerfjord entführen. Zugleich spiegeln die dramatischen Werke Fosses auch stets Szenarien der Seele wider. Denn, wie die Neue Zürcher Zeitung treffend beschreibt, gilt Jon Fosse nicht umsonst als großer „Mystiker und Melancholiker unter den Gegenwartsautoren“, als der „Beckett des 21. Jahrhunderts“ und der neue Hendrik Ibsen. Fosse selbst lehnt laut der Neuen Zürcher Zeitung jenen Vergleich mit seinem Landsmann Ibsen allerdings strikt ab, da dieser ein „erschreckend destruktiver Dichter“, gar ein „Priester der Finsternis“ sei, der seine Figuren hasse. Fosse hingegen liebe die seinen, wie er der Neuen Zürcher Zeitung versicherte, obschon oder gerade weil sie gewöhnliche, oft deprimierte und zum Teil namenlose Menschen vom Fjord mit gescheiterten Lebensentwürfen und von Schmerz, Begierde und Sehnsucht besessen seien. Und jedem dieser Charaktere schenkt Fosse in seinen Werken seine Aufmerksamkeit und lässt sie ihre eigene Aufgabe erfüllen.
Einer, das heißt eigentlich zwei seiner Figuren, dem Maler Asle vom Fjord und dem Maler Asle aus der Stadt, den Protagonisten seines Epos „Heptalogie“ schreibt der Schriftsteller hierbei sogar eine besondere Rolle zu. Denn bei dieser einen Romanfigur in zwei Versionen handelt es sich um nichts Geringeres als das Spiegelbild seiner Persönlichkeit, um den Entwurf und den Gegenentwurf eines per se fast identischen Lebens, was den wohl entscheidendsten Wendepunkt in Fosses Leben markieren dürfte. Zwar gehe es ihm beim Schreiben für gewöhnlich nicht darum, ein Selbstportrait zu zeichnen, sondern viel mehr sich selbst zu entfliehen, wie er in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung betonte. Doch zeigen sich die Parallelen zwischen den „Heptalogie“-Protagonisten und dem Autor bereits an den äußeren Erscheinungsbildern deutlich, zumal sich sowohl die beiden Maler als auch Fosse immer in Schwarz kleiden und die langen Haare zusammenbinden. Nur führt dieses Selbstportrait noch weit über Äußerlichkeiten hinaus, hinein in die Seele des Autors. Für die beiden Maler ist nämlich wie für Fosse eine innere Ruhelosigkeit charakteristisch, die ihnen ihr ganzes Leben über Anlass zu häufigen Wechseln gibt und für den Maler Asle vom Fjord mit der Flucht in die Religion endet. Denn der Kopf des Malers ist mit Bildern gefüllt, die er „wegmalen“ möchte, bis einzig der Frieden übrigbleibt. Dabei wird das Malen für ihn zu einer solch unerträglichen Qual, dass er seinen Bildern mithilfe von Gitarrenmusik zu entkommen versucht, allerdings vergeblich. So widmet er sich letzten Endes doch wieder der Malerei, betrachtet diese jedoch fortan mehr als eine Art wortloses Gebet und kann auf diese Weise vorerst der materiellen Welt entfliehen, wie es Fosse durch deren „Transzendierung“ im Schreiben gelinge. Der Neuen Zürcher Zeitung zufolge ist für Fosse das Schreiben aber nicht nur „eine Transzendierung“ der materiellen Welt, sondern auch seiner selbst. Daher sei das Schreiben auch „ein Mysterium“, das es für ihn als mystischen Realisten, den er laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in sich sehen soll, immer wieder von neuem zu ergründen gelte, jedoch stets vor dem Hintergrund der religiösen Hoffnung auf Frieden und Erlösung. Dies weiß Fosse in jedem einzelnen Roman seiner „Heptalogie“ gekonnt durch die Variation des Gedankens ein „gutes Bild ist ein Geschenk, oder eine Art Gebet“ auf sein Abbild, den Maler Asle vom Fjord, bezogen hervorzuheben.
Vielleicht lässt Fosse den Maler Asle vom Fjord auch aus diesem Grund einen religiösen Wandel vollziehen, wie er ihn selbst einst in ähnlicher Weise durchlebte. Der Maler Asle vom Fjord hat nämlich ursprünglich der Glaubensgemeinschaft der Quäker angehört, zu welcher Jon Fosse nach seinem Austritt aus der lutherischen Staatskirche in jungen Jahren konvertierte. Doch brach er auch bald mit dieser, zumal ihm die Quäker nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung zu „sektiererisch“ erschienen sind. So trat er im Jahr 2013 letztlich zum Katholizismus über und lässt auch den Maler Asle vom Fjord in seinem Roman Katholik werden, nachdem dieser durch seine verstorbene Frau Alse, die Tochter einer Österreicherin, erstmals an diese Glaubensrichtung herangeführt worden ist. Der Maler Asle aus der Stadt hingegen ist ungläubig. Doch teilt auch er seine Gemeinsamkeiten mit Jon Fosse.
Beide sind nämlich zweimal geschieden. Nur dass Jon Fosse inzwischen zum dritten Mal mit der slowakischen Germanistin Anna Fosse verheiratet ist und insgesamt sechs Kinder hat, während den zwei Ehen des städtischen Malers Asle lediglich ein Kind entstammt und er seit seiner zweiten Scheidung sehr einsam lebt.
Einzig durch den Alkohol vermag sich Asle aus der Stadt in seiner Einsamkeit und Erfolglosigkeit noch zu helfen, bis er allerdings die Kontrolle verliert und letzten Endes dem Alkohol unterliegt. Auch in Jon Fosses Leben habe es eine solche Zeit gegeben, da er vom Alkohol kontrolliert worden sei. Wie er in einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung gegenüber eingestand, habe er nämlich ebenfalls seine Erfahrungen mit Depressionen und der Alkoholsucht gesammelt; auch wenn bei ihm die Ursache eine andere war. Denn über Erfolglosigkeit konnte Fosse damals wie heute nicht klagen. Schließlich hatte er sich in Norwegen bereits mit der Veröffentlichung seines Debütromans „Raudt, svart“ einen Namen gemacht, ehe dann seine inzwischen mehrfach inszenierten Dramen international für Aufsehen sorgten und ihm die Türen zu den großen Theaterbühnen der Welt eröffneten. Jedoch sind der Neuen Zürcher Zeitung zufolge eben diese mit dem Theater verbundenen öffentlichen Auftritte so weit ab vom Fjord und dessen einzig durch das Meeresrauschen unterbrochenen Stille für Fosse zunehmend zur Last geworden. Dabei seien die Belastung und der soziale Druck für Fosse so unerträglich gewesen, dass er diesen nur noch mittels des Alkohols weiterhin habe standhalten können. Denn einen Abschied vom Theater wollte er zu dieser Zeit noch nicht in Erwägung ziehen. Also sollte fortan der Alkohol das Leben und Schaffen des Schriftstellers prägen und mit der Zeit sogar eine immer essentiellere Rolle einnehmen; zumindest solange, bis Fosse seiner Abhängigkeit gewahr wurde. Daraufhin hörte er das Trinken auf. Sonst hätte ihn womöglich noch dasselbe Schicksal ereilt, das in seiner „Heptalogie“ Asle aus der Stadt dem Leben entreißt und zugegebenermaßen Asle vom Fjord genauso hätte treffen können, da auch er eine Zeit lang in Abhängigkeit vom Alkohol gelebt hatte. Nur hat er eben im Gegensatz zu Asle aus der Stadt es Fosse gleichgetan und dem Alkohol abgeschworen. Seitdem lebt der Maler zurückgezogen in einem kleinen Ort bei Bjørgvin am Fjord und gibt sich ganz der Malerei und dem Glauben hin, bis er letzten Endes eines friedlichen Todes verstirbt. Jon Fosse ist zwar noch nicht verstorben, doch bedeutete die Abstinenz für ihn in gleichem Maße einen Rückzug, wenn auch vom Theater, beziehungsweise war vielmehr nach gut vierzig mehrfach inszenierten und in zahlreichen Sprachen übersetzten Stücken innerhalb von fünfzehn Jahren gar dadurch bedingt. Daher wandte er sich vor etwa vierzehn Jahren von dem Theater und somit der Öffentlichkeit ab und widmete sich wieder vermehrt Gedichten und Roman – „langsame Prosa“, wie er es in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung zurecht bezeichnete. Seine Prosa zeichnet sich nämlich durch häufige Variationen und Repetitionen ähnlicher Motive und Gedankengänge sowie fehlende Satzzeichen, komplexe Paradoxien und eine ihr eigentümlichen Wortkargheit aus, was den Lesefluss in der Tat verlangsamt und nicht zuletzt dem in Jon Fosses Texten so häufig Unausgesprochenen Ausdrucksstärke und Emotionalität verleiht.
Nun ist diese Wirkung in den deutschen Übersetzungen bereits deutlich zu erkennen. Doch in den Originaltexten tritt sie noch zusätzlich verstärkt auf, zumal diese auf Nynorsk, einer der zwei Standardvarietäten des Norwegischen, verfasst sind. Diese im 19. Jahrhundert aus Dialekten entstandene Kunstsprache ist dabei aufgrund der Ähnlichkeiten mit dem Altnordischen und Isländischen viel formstärker und rhythmischer als das weitaus üblichere Bokmål, sodass in ihrem Klang und Takt Emotionen, ob nun ausgesprochen oder nicht, auf eine Weise akustisch wahrnehmbar werden, wie sie es selbst in der besten Übersetzung nicht würden. Deshalb ist laut Fosse das Nynorsk für seine Dichtung auch so entscheidend, obgleich diese Form der norwegischen Schriftsprache seit jeher immer wieder in Verruf geraten und selbst heute noch stark umstritten ist. Der Literaturnobelpreisträger Hamsun etwa hat Nynorsk der Neuen Zürcher Zeitung zufolge als „Holzschuhdialekt“ und der Literaturnobelpreisträger Bjørnson sogar als Sprache für „Höhlenbewohner“ verhöhnt, während es für den Literaturnobelpreisträger Fosse nun einmal diesen für seine Werke idealästhetischen Raum geschaffen zu haben scheint.
Anderenfalls wäre Jon Fosse wohl kaum für seine Werke am 10. Dezember vom schwedischen König höchstpersönlich der Nobelpreis für Literatur 2023 verliehen worden – endlich gewissermaßen. Über ihn werde nämlich bereits seit mindestens zehn Jahren oder noch länger diskutiert, wie er in einem Interview mit der Zeit erzählte. Letzten Endes habe jedoch immer ein anderer den Literaturnobelpreis erhalten, weshalb Fosse eigentlich nicht erwartet habe, ausgerechnet in diesem Jahr den Preis zu bekommen. Doch ein „plötzliches Glück“ habe er dann schon empfunden, als der Ständige Stellvertreter der Schwedischen Akademie der Wissenschaften Mats Malm bei ihm anrief und am 5. Oktober offiziell verkündete, der Schriftsteller Jon Fosse werde für seine „innovativen Theaterstücke und Prosa ausgezeichnet, die dem Unsagbaren die Stimme geben“. Immerhin habe er stets „auf den Eigenwert der Literatur“, auf eine Literatur, „die so wahr und so gut wie nur möglich ist und keinerlei Nebenabsichten verfolgt“, bestanden, woran sich auch in Zukunft, nicht einmal durch den Literaturnobelpreis etwas ändern werde, wie Fosse in einem Interview der Zeit gegenüber nochmals mit Nachdruck betonte. Auch wenn dieser auf sein Leben bezogen laut Fosse durchaus einen Wandel hervorgerufen hat. Schließlich habe der Nobelpreis solch „eine Kraft, er verändert das Leben, auf eine gute und eine schlechte Weise.“ Aus diesem Grund räumte er im Interview mit der Zeit auch ein, künftig nur noch öfter zu Vorschlägen, an diesem oder jenem teilzunehmen, Nein sagen und ein noch zurückgezogeneres Leben führen zu wollen, als er es ohnehin nach seinem Fortgang vom Theater getan habe. In einer „Art Scheinwerferlicht“ habe er nämlich lange genug, nicht zuletzt als Dramatiker gestanden. Dort habe er seine Lektion und die Stille umso mehr schätzen gelernt. An ein Karriereende nach fünfzig Jahren möchte der 64-Jährige deshalb aber noch lange nicht denken, zumal sein Schreiben für ihn ein „existenzielles Nachdenken“, „eine Art zu leben“, „eine Gewohnheit“ sei, ohne die er nicht existieren könne. Und verglichen mit einer Premiere ist für Fosse der Neuen Zürcher Zeitung zufolge das Erscheinen eines neuen Buches ja auch eine recht „friedliche Angelegenheit“. Daher kündete er im Interview mit der Zeit an, zukünftig weiterhin kürzere Romane, Gedichte, Stücke, Klassikeradaptionen für das Theater und Übersetzungen schreiben zu wollen, worauf die Leser beziehungsweise die Zuschauer bereits jetzt gespannt sein dürfen.

Mit ebenso viel Spannung dürfen die Blicke auch auf die Vergabe des Literaturnobelpreises gerichtet werden. Im Oktober ist es nämlich schon wieder soweit. Die Kandidatenvorschläge ausgewählter Personen und Institutionen mussten bereits bis spätestens 31. Januar beim Nobelkomitee eingereicht und von diesem bis April auf die sogenannte „halblange Liste“ reduziert werden, bevor nun aus den verbliebenen Nominierungen der endgültige Preisträger auserkoren und Anfang bis Mitte Oktober bekanntgegeben wird. Bei Jon Fosse jedenfalls schien sich der Nobel-Jury nach zehn Jahren Wartezeit oder mehr sehr schnell geeinigt zu haben. Anderenfalls hätte die Verkündung seiner Ernennung zum Literaturnobelpreisträger 2023 nicht schon am 05. Oktober erfolgen können. Doch die Übereinstimmung der Mitglieder des Nobelkomitee ist längst nicht immer so groß und die Zustimmung der Bevölkerung bei weitem auch nicht, wie etwa als im Jahr 2016 der amerikanische Sänger Bob Dylan für seine Musikpoesie den Literaturnobelpreis erhielt. In den vergangenen Jahren geriet das Nobelkomitee allerdings weniger wegen der Ernennungsgründe als wegen des Verwurfes, zu europäisch fixiert zu sein, vermehrt in Kritik. Dies entspräche nämlich nicht Alfred Nobels Testament, welches den Literaturnobelpreis für denjenigen Schriftsteller vorsieht, der „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat“. Mit der Vergabe des Literaturnobelpreises 2023 an den Norweger Jon Fosse sahen sich Kritiker in ihren Anschuldigungen noch einmal bestätigt, nachdem dieser allein in den Jahren zuvor an die französische Schriftstellerin Annie Ernaux als 17. Frau unter 122 Preisträgern und den in Großbritannien lebenden tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah übergeben wurde. Dementsprechend lässt sich auch die Realisierung des von Jon Fosse im Interview mit der Zeit geäußerten Wunsches, in naher Zukunft noch einige nordische Schriftsteller unter den Preisträgern zu sehen, mit Recht infrage stellen. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht, dass der diesjährige Literaturnobelpreisträger erneut aus einem nordischen Land stammt oder wenigstens dort lebt. Immerhin habe Fosse in einem Interview der Zeit mit dem Norweger Dag Solstad und dem Isländer Gyrðir Elíasson gleich zwei, zumindest für ihn und für das Nobelkomitee womöglich ebenfalls, ernstlich in Betracht zu ziehende Anwärter genannt, deren Namen im Oktober vom Ständigen Sekretär der Schwedischen Akademie Mats Malm als der Literaturnobelpreisträger des Jahres 2024 durchaus verkündet werden könnten. Näheres diesbezüglich lässt sich derzeit aber noch nicht sagen und wird es vor Oktober auch nicht werden können. Es gilt bis dahin wohl nur abzuwarten und die verbleibende Zeit auf spannende sowie interessante Art und Weise auszugestalten, wie es beispielsweise „Mystik und Whisky“ verspricht.
Damit das Warten selbst in diesem Fall bald ein Ende nimmt.

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